Hallo Reto,
herzlichen Dank und meine Anerkennung zu Deinen sauberen Detaillösungen und den beeindruckenden Bildern. Besonders das Foto vom „Stecker“ dürfte selbst Profis nur schwer gelingen.
Ich komme erst jetzt dazu, Dir zu antworten, da ich gerade von einem Rügenurlaub wiederkomme. Zu meinen dort mit der Proa gemachten zahlreichen Erfahrungen später etwas mehr.
Zunächst zu Deinem „Stecker“. Ich stimme hier Othmar zu, das lässt sich bei entsprechendem Wind und Welle wohl nicht immer verhindern. Dies ist für mich ein generelles Problem von Mehrrumpfbooten. Dabei habe ich es immer als einen großen Vorteil der Proa empfunden, dass der sensibele Bereich – der Leeschwimmer – bei der Proa, weil es dort der Hauptrumpf ist, fülliger ausgeführt ist als bei Katamaranen oder insbesondere Trimaranen.
Die Lösung mit den Lenzern erscheint mir sehr pfiffig, wobei ich das Problem durch mein geschlossenes Deck allerdings nicht habe. Dafür hat meine Ausführung andere Nachteile.
Zurück zu meinem zweiwöchigen Urlaub auf Rügen, bei dem ich mit der Proa ordentlich gesegelt bin. Der weiteste Schlag war von Schaprode in den Grabow, knappe 30sm, für die ich ca. 7,5h gebraucht habe. Erwähnenswert finde ich dabei, dass es hin und zurückging, fast ausschließlich hoch am Wind oder platt vor dem Laken und fast nie mit halben oder raumen Wind (wie das immer so ist beim Fahrtensegeln).
Bei diesem Schlag war ich, genau wie bei dem zweitlängsten Schlag von Schaprode nach Lietzow, mit den Eigenschaften als Fahrtenboot sehr zufrieden (die zwei Ausnahmen kommen später). Dieser Törn ging über ca. 23sm, für die 3:45h notwendig waren. Allerdings ging es hier nur in einer Richtung.
Ausgesprochen aufbauend waren dabei die Kommentare der Crews auf den entgegenkommenden oder überholten Kielyachten, die mit enthusiastischen Gesten und Gebärden, Ausrufen wie „Toll! Super!“ und erhobenen Daumen ihre Anerkennung für dieses andersartige Segelgerät ausdrückten. Eine Sportskameradin verriet allerdings ihre fehlende Sachkenntnis mit der Bemerkung an ihren Partner „Ist das nicht ein schöner Hobie?“. Na, ja.
In den Gewässern hatte ich endlich einmal konstanten Wind um die Am-Windeigenschaften zu testen. Gemessen habe ich einen Wendewinkel von 130°. Für ein Mehrrumpfboot von 5m bei kabbeligem Wasser und mit GPS - also über Grund: Ich würde sagen, geht so.
Nicht so begeistert war ich von der gemessenen Top-Speed. Mittlerweile habe ich zwei Segel, das ältere mit ca. 7,5qm und das neue mit 12qm (sind auf den Fotos zu sehen, die beiden Schläge habe ich übrigens mit dem kleineren gemacht). Bei beiden war bei ca. 7,5kn Schluss, obwohl ich auf dem heimischen Gewässer schon 8,5kn gemessen hatte, wobei das gefühlt bei weitem noch nicht die höchste Geschwindigkeit war. Erwartet hatte ich mit dem neuen Segel und bei etwas mehr Wind eigentlich Werte von deutlich über 10kn.
Aus meiner Sicht gab es dafür drei Gründe:
Der Mast hat sich bei diesen Belastungen als zu weich erwiesen. Obwohl mit IMCS 28 schon sehr steif, bog er sich wie ein Flitzebogen was dazu führte, dass die Rah ins Wasser tauchte, was natürlich den Wasserwiderstand nicht zum Positiven beeinflusste. Trimmen mit den Stagen half nichts, weil er sich dann nur noch mehr bog. Außerdem durfte ich das auch nicht übertreiben, da sonst bei dem Nachlassen einer Bö die Rah auf das Deck hüpfte.
Abhilfe verspreche ich mir hier davon, die Brasse an der Rah auch horizontal zu fixieren, um darüber ein Absenken der Rah zu verhindern. An der Stelle würden mich Deine Erfahrungen, Reto, interessieren. Auf Deinen Bildern sehe ich übrigens auch bei viel Wind nicht, dass sich der Mast durchbiegt.
Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich eine Versteifung des Mastes. Mit den Ruderschäften habe ich das schon durch: Ummantelung mit Kevlar und dann Glasmatte. Das möchte ich aber nur als letzte Lösung, da es wieder mehr Gewicht bedeutet.
Der meiner Ansicht nach wichtigste Grund ist, dass die untere Ruderaufnahme zu niedrig ist und bereits bei geringer Wellenhöhe durch die Welle schneidet, wobei schneidet nicht der richtige Ausdruck für diesen höchstwirksamen Bremsvorgang ist. Mit diesem Bauteil habe ich ja seit der ersten Sekunde meine Probleme, schon bei der Probewasserung war sie zu tief. Und obwohl ich sie damals schon höher gesetzt habe, schmeißen sie bei viel Welle so viel Wasser in die Luft und auf das Deck, dass dabei regelmäßig die Dichtigkeit der auf dem Deck eingebauten Inspektionsluken getestet wird.
Hier bin ich im Moment ziemlich ratlos. Ansonsten bin ich mit meiner ROmaM (Ruderanlage nach Othmar modifiziert a la Manfred) bekanntlich ausgesprochen zufrieden. Diese Probleme hatte ich auf dem heimischen Gewässer bisher auch noch nicht (dort gibt es einfach nicht so hohe Wellen). An das Steuerpaddel will ich wegen der höheren Steuerkräfte nicht dran (bei 7,5h hätte ich da sicher lange Arme bekommen). Andererseits hat durch das neue Rigg die Luvgierigkeit stark abgenommen. In das Problem werde ich noch einigen Gehirnschmalz investieren müssen. Vielleicht hat ja einer eine Idee.
Ach ja, richtig, der aufmerksame Leser vermisst den dritten Grund. Elendig viele und lange Algen hatten die unangenehme Neigung, sich um den Bug, aber insbesondere um das Ruder zu legen und damit erheblich zu bremsen. Dabei hat das Boot wegen des fehlenden Schwertes und der schräg gestellten Ruderblätter konstruktiv eigentlich noch die besten Voraussetzungen, mit diesem Problem fertig zu werden. Bei dem benachbarten Tornado wurden regelmäßig die Ruderblattsicherungen ausgelöst.
Abschließend noch etwas zu meiner Vorrichtung zum Heben und Senken der Rah:
Diese Mimik – indem ich das Fall und die Stagschot miteinander verbunden habe – habe ich nämlich wieder aufgegeben. Sie hat sich zwar im Prinzip bewährt und es hat schon etwas, wenn sich die Rah elegant senkt und wieder hebt und so dem Profil des Decks folgt. Leider hatte die Anordnung zwei gravierende Nachteile:
Bei viel Wind war die Kraft auf das Fall größer als auf die Stagen. Das Segel wurde also gefiert und der Mast aufgerichtet. Um den zweiten Nachteil zu erklären muss ich etwas ausholen. Beim Shunten ziehe ich zunächst an der Brasse, bis der Rahhals ungefähr auf ¼ der Bootslänge ist, dann ziehe ich an der Stagschot (oder an beiden, das ist von Fall zu Fall verschieden) bis der Mast mittig steht. Bei der Hebe und Senkeinrichtung musste ich dann am Fall ziehen, damit sich der Mast weiter in die andere Richtung bewegt. Und dieser letzte Vorgang hat mich geärgert. Wenn ich sowieso am Fall ziehen muss, dann kann ich beim Shunten auch gleich zu Beginn das Fall auffieren und zum Ende des Vorgangs das Fall wieder dicht holen, sprich das Segel wieder höher ziehen.
Ich habe also Fall und Stagschot wieder voneinander getrennt und löse nun beim Beginn des Shuntens das Fall, die Rah senkt sich und ich hole am Ende des Shuntens das Fall wieder dicht. Das hat außerdem den Riesenvorteil, dass ich beide Leinen unabhängig voneinander trimmen kann.
Soweit für heute und Euch weiter eine schöne Saison
Manfred

- Rapa Nui mit kleinem Segel (7,5qm)