Avalon - Sturmabenteuer


Avalaon - eine Athena 38 von Fountaine Pajot

Über der AVALON kreist ein Rettungshubschrauber. In seinem Suchstrahl-Scheinwerfer erkennt man die einlaufenden Wellenberge. Weiße Gischtmassen spritzen an den Felswänden hoch auf. Im Lichtkegel taucht der Zweimaster auf, der doch gerade noch neben uns vor Anker lag. Was wohl aus den beiden netten Leuten geworden ist, die vor einer Stunde an uns vorbei, zu ihrem Schiff gepaddelt waren? Geprägt von einer schlaflosen Nacht und noch beeindruckt vom Geschehen, versuche ich chronologisch die Ereignisse zusammen zu fassen.

Donnerstag, 12. Dez. 2002 16:00 Uhr
Ich schicke eine Blitzmeldung für Familie und Freunde. Wir liegen mit Bug- und Heckanker in der Bucht von Arguineguin, im Süden Gran Canarias. 30 Knoten Wind zerren an den Ankerleinen. Alles scheint zu halten.
17:00 Uhr
Guido, Marco + Betty kommen vom Landgang zurück. Der Schwell hat stark zugenommen. Alle neun Ankerlieger rucken sehr stark in die Ankerleinen ein. Die Felsenküste ist in Lee; wenn ein Anker bricht, bleibt keine Zeit zum Reagieren.
18:00 Uhr
Nach Diskussion springt Guido in der jetzt stark zunehmenden Dämmerung ins Wasser, taucht beide Anker ab. Sie liegen perfekt hinter einer Felsengruppe. Die zwei Männer des Zweimasters, der fünfzig Meter nördlich von uns an der Kette zerrt, kämpfen sich mit ihrem Dinghy zu ihrem Schiff. Sie sind guten Mutes, winken zweimal freundlich.
19:00 Uhr
Der einlaufende Schwell ist jetzt bedrohlich angewachsen. Nördlich von uns brechen sich die rund zwei Meter hohen Wellen. Querab der AVALON hat sich der Heckanker der 46Fuss - Yawl losgerissen. Das Schiff dreht und reibt jetzt mit seinem Kiel auf unserer Heck-Ankerleine. Gefahr, daß die Leine zerschnitten oder unser Anker ausgerissen wird.

19:30 Uhr
Guido und Marco sind mit dem Dinghy bei der Yawl gewesen. Niemand ist an Bord. Wenn sein Buganker auch reißt, schiebt in die nächste Welle genau auf uns drauf. Hinter uns sind es dreißig Meter bis zur Felswand.
20:00 Uhr
Mit der Handtröte blase ich ALARM! Im Dorf wird das Signal gehört. Jimmy, der Eigner der Yawl kommt mit seinem Beiboot angedüst. Wir vereinbaren Ankerwache und laufenden Kontakt auf UKW-Kanal 71.
21:00 Uhr
Die Wellen laufen immer weiter nördlich ein. Damit nähert sich uns der Kamm der sich brechenden Wellen zusehend. Der angrenzende Hafen ist ein reiner Fischerhafen und gesperrt für Yachten. Ich fahre mit dem Dinghy ins Hafenbecken um einen Liegeplatz zu erkunden. Nach Diskussion mit den aufgeregten Fischern, lassen sie uns in den Hafen.
21:15 Uhr
Vor dem nördlich von uns liegende Zweimaster brechen sich jetzt die Wellen. Eine große Welle schlägt genau vor dem Bug über, hebt das Schiff an und mit einem lauten Knall ist etwas am Anker gerissen. Mit den beiden netten Personen an Bord wird das Schiff mit jeder Welle an unserm Heck vorbei, auf die Felsen geschoben.

21:30 Uhr
Mit der letzten Möglichkeit, auf dem Wellenkamm geschoben, bin ich zurück. Die ersten Brecher erreichen jetzt die AVALON, heben sie an, versuchen sie zur Seite zu schmeissen. Der Heckanker könnte jeden Moment brechen.
21:45 Uhr
Beide Maschinen laufen. Petra kappt den Heckanker. Guido und Marco holen den Hauptanker ein.
22:00 Uhr
Fünfzig Meter schwere Kette sind geborgen, der Hauptanker ist auf. Vor dem nächsten Brecher die AVALON gedreht. Schräg die Welle runter, im Wellental mit Vollgas Strecke gemacht. Der Wind hat jetzt in Spitzen 40 Knoten.
22:20 Uhr
Wir sind im Hafen. Achterlich läuft immer noch eine hohe Dünung ein, der starke Südwind steht genau gegenan.
22:30 Uhr
Heckleinen werden klargelegt. Guido richtet den Buganker für das Hafenmanöver. Marco ist mit dem Dinghy zur Kaimauer, hochgeklettert um die Heckleinen anzunehmen.
23:00 Uhr
Liegen mit Buganker (60 Meter Kette mitten im Hafen) und Heckleinen an der Pier. Von den eingesetzten Regenböen sind alle bis auf die Unterhose nass. Die AVALON schaukelt vor und zurück, wie ein JoJo. Die einlaufende Dünung zerrt hörbar an der Ankerkette, schiebt unser Schiff nach achtern Richtung Kaimauer. Der Wind drückt dagegen und läßt die Heckleinen zum bersten spannen. Wir bringen auf jeder Kufe vier lange Leinen aus. Jetzt ist klar, wozu es gut ist, so viele davon mitzuschleppen.
23:30 Uhr
Überall im Hafen ist lautes Gerufe und hektisches Treiben. Die Fischer sind zwischenzeitlich alarmiert; versuchen Ihre Boote vor dem Sturm zu sichern. Der gesamte Hafen ist eine Stunde später mit Leinen verspannt, die nun überall quer durch die Luft gehen. Jimmy taucht mit seiner 46Fuß-Yawl in der Einfahrt auf. Seit einem Jahr lag es in der Bucht, mit DREI Fünfzigkilo-Anker gesichert. Er war sich so sicher, hier schon alles erlebt zu haben und einen sicheren Liegeplatz zu haben. Mit Gewalt schiebt er sein Schiff zwischen zwei Fischerboote, die laut schimpfend ihm dann doch helfen.
24:00 Uhr
Der Rettungshubschrauber kreist über uns; sucht die Felsküste ab. Böen mit weißer Gischt und Regenfelder wie Nebelfetzen werden vom Suchscheinwerfer ins Licht getaucht. Auf den Felsen liegt der Zweimaster. Keine Spur von der Besatzung. Im Dorf heulen Sirenen von Polizei und Feuerwehr.
Freitag, 13. Dez. 2002, 01:00 Uhr
Die deutsche Havelzille, eine Praetor 52 Fuss (lag buchteinwärts vor Anker), kommt in Schlangenlinien in den Hafen. Alle Menschen schreien, stop, halt, Leinen ..., doch der Mann am Ruder hält genau auf die Molenecke zu. Er rauscht mit voller Fahrt in die gespannten Leinen, sein Bugspriet schiebt sich auf die Kaimauer. Mit laufender Maschine dampft der weißhaarige ältere Mann gegen die Steinmole an. Wir sprechen in an, wollen Leinen um zu helfen; der Mann hat einen Schock, erzählt am Ruder stehend von seinen beiden gebrochenen Ankern, daß sein Schiff auf den Steinen saß .... "was soll ich nur machen?".
02:00 Uhr
Auch die Polizei ist zwischenzeitlich im Hafen. Über die 10 Meter hohe Schutzmauer ergießt sich in regelmäßigen Abständen ganze Berge von Wasser. Die meisten Fischer stehen eng an der Wand ihrer Gerätehäuser. Lose Gegenstände fliegen durch die Luft, ein Holzdinghy schiebt sich auf der Betonpier entlang; wird von jemandem eingefangen. Weitere Boote erscheinen in der Hafeneinfahrt.
03:00 Uhr
Sämtliche Ankerlieger sind jetzt im Hafen. Die noch nicht da sind, sind gestrandet. Orkanböen fegen über das Wasser. Alle gehen geduckt, suchen möglichst schnell wieder Schutz vor dem peitschenden Regen. Die Stimmung hat sich verändert. Der Hafen ist mit Leinen verspannt, es gibt keinen freien Platz und doch sind jetzt alle zugange. Jeder hilft jedem, die Nacht ohne Totalschaden zu überstehen. Immer wieder hört man das Reißen einer Leine knallen. Die Fischer binden neu zusammen, ihre Leine mit den gerissenen der Segler.

05:00 Uhr
Die Leine, die den Buganker sicherte, ist gerissen. Es ist Ebbe, die Kufen werden von den einlaufenden Wellen jetzt bis auf einen Meter an die Kaimauer gedrückt. Wir verändern die Leinen, holen den Anker dichter und sichern mit größeren Schäkeln und stärkeren Leinen. Die Polizei hat die Zufahrtsstrasse zum Hafen gesperrt. Ein Sailsmann vermittelt zwischen englisch und spanisch. Alle schimpfen auf den Wetterbericht; keiner war von dem Orkan informiert; daß Sturmtief sollte nördlich nach Afrika vorbei ziehen.
06:00 Uhr
... und keiner filmt, wie spanische Fischer fluchen
08:00 Uhr
Wir organisieren zwei weitere lange Leinen und bändseln uns an Mooringleinen von Fischerbooten, zusätzlich zum Buganker, der prima gehalten hat.
10:00 Uhr
müde und frierend genießen wir erste Sonnenstrahlen. Der Regen hat aufgehört. Die Wolkendecke bildet einzelne Felder heraus.
11:00 Uhr
das Barometer gibt Alarm; der Luftdruck steigt mit mehr als 2 hPa in der Stunde. Der Wind hat um 180 Grad gedreht, kommt jetzt gemeinsam mit der Welle direkt in die Hafeneinfahrt. Auf den Schiffen ist immer noch hektisches Treiben. Wir gehen weiterhin Wache um ein Anschlagen der Kufen an der Kaimauer und/oder das reißen einer Leine sofort reagieren zu können.
12:00 Uhr
Der Wind hat nachgelassen. Die einlaufende Dünung schiebt die Schiffe zwischen Anker und Heckleine hin und her. Auf der Pier stehen viele Urlauber. Mit Wandersandalen und Regencape begleitet, wird alles fotografiert. Petra findet das zunehmend blöd (kommt sich vor wie im Zoo) und kocht im Salon Kaffee für Alle.
13:00 Uhr
Im laufe der kommenden Nacht soll der Spuk vorbei sein. Ein großes Rettungsboot war zweimal im Hafen, hat Personen in Uniform an Bord genommen. Vor dem Hafen liegen der Zweimaster, auf die Felsen geschoben, seitlich, als hätte man ihn dort abgelegt. Keiner kann uns etwas über die zwei Männer, die an Bord waren, sagen. Wir wollen die AVALON nicht verlassen, können also nur Fragen stellen. Etwas weiter liegt ein Katamaran auf dem kleinen dunklen Sandstrand. Von gebrochenen Ruder und Löcher im Rumpf , erzählen die Menschen.

14.00 Uhr
Wir schwingen jetzt seit über 12 Stunden zwischen den Leinen; die AVALON ist sicher vertaut. Die Wetterberichte und Navtexmeldungen haben wir nochmals geprüft; niemand hatte diesen Orkan vorausgesagt. Die Meldung jetzt lautet, daß sich das Sturmtief plötzlich nach Süden gedreht hätte, wahrscheinlich weil sich das vor Afrika liegende Hoch verstärkt und festliegend gezeigt hat, plötzlich. Man kann sagen was man will. Niemand ist vor wetterbedingten Überraschungen ganz sicher, und wenn es der einsetzende Eisregen in Deutschland ist. Wenn man dann gleich reagiert und das Auto stehen läßt, ist man selbst ziemlich schnell aus der ungewöhnlichen Gefahrenzone. So haben wir gehandelt und als erstes und zunächst einziges Boot den Ankerplatz verlassen und das Schiff an einen sicheren Ort in den Hafen gebracht. Gerne sind wir für Abenteuer zu haben und mit jedem Boot fahren wir freudig um die Wette (Regatta), ebenso schnell sind wir die ersten im Hafen, wenn das der Sicherheit von Schiff und Mannschaft dient. So werden wir auch in Zukunft handeln. Wie gut, daß alles gut gegangen ist.

Roland

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