Im folgenden werden einige Argumentationshilfen für die Entscheidung Mehrrumpfboot oder Einrumpfboot geliefert. Auch auf die gängigsten Vorurteile wurde eingegangen.
Dieses immer gebrachte Hauptargument trifft nur bedingt zu. Zuerst muss man festlegen, ob man über Rennyachten oder Fahrtenboote spricht.
Einrumpf-Rennyachten haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der Geschwindigkeit gemacht. Regatten, wie das Whitbread-Race oder die Volvo Open 70 haben dazu beigetragen. Durch die Foilertechnologie können sich inzwischen auch Mono-Racer wie beim America's Cup 2021 aus dem Wasser heben und so bis 50 Knoten Geschwindigkeit erreichen. Aber sie sind empfindlich und auf ruhige Küstenbereiche angewiesen und können den großen Renntrimaranen der Ultime-Klasse oder den MOD 70 auf dem offenen Meer nicht das Wasser reichen. Diese Renn-Giganten können nahezu unter allen Wetterbedingungen im Grenzbereich fahren und halten so ziemlich alle Segel-Rekorde.
Bei den Fahrtenyachten sind es nicht anders aus. Auch hier haben die Monos zugelegt. Fast alle neuen Serienboote laufen Geschwindigkeiten, die schon über der Rumpfgeschwindigkeit liegen. Hingegen sind viele der neuen Katamarane zu schweren Badeplattformen und/oder Wohnschiffen mutiert und können mit gut gesegelten modernen Einrumpfbooten nicht mehr Schritt halten. Aber lassen wir die Extreme einmal weg.
Vergleicht man einen Serien-Einrümpfer mit einem ebenso langen Fahrten-Mehrrumpfboot, sollte letzteres ein ca. 25-30% größeres Geschwindigkeitspotential haben. Nochmal anders sieht es aus, wenn das Boot nur als Weekender benutzt wird. Hier wird ein schneller Open-Bridge-Deck-Kat (ohne großen Wohnkomfort) oder natürlich ein Trimaran mit 15-20 kn Speed auch einem Performance-Mono immer das Heck zeigen.
Geschwindigkeit ist aber auch Zielgeschwindigkeit. Das Märchen, daß Mehrrumpfboote grundsätzlich keine Höhe laufen können, glaubt mittlererweile niemand mehr. Gut gebaute Multis laufen auch gute Höhe, schmale Rümpfe mit Schwertern oder tiefen Kielen vorausgesetzt. Natürlich gibt es auch Vertreter dieser Gattung, die sich etwas schwerer damit tun, wie z.B. die Wharram'schen V-spanter oder plumpe hoch gebaute Charterkatamarane. Aber auch bei den Einrümpfern gibt es solche und solche Boote.
Das Raumwunder ist nur relativ, weil von der Größe abhängig. Ein kleiner Einrümpfer mit 7 m Länge bietet mit Sicherheit mehr Innenraum als ein gleichgroßer Trimaran oder Katamaran. Außenherum sieht es wieder anders aus, weil die Breite hinzukommt. Im sonnigen Süden ist die Liegefläche eines Mehrrumpfbootes wunderbar, im kühlen Norden ist der Salon des kleinen Einrümpfers kuscheliger.
Richtig ausspielen können Mehrrumpfboote, speziell Katamarane den Innenraum erst, wenn Sie ein festes Deckshaus aufweisen. Gab es vor 20 Jahren kleine Katamarane, die schon ab 8 bis 9 Meter Länge ein überbautes Mitteldeck mit einem Salon zum Sitzen hatten, ist die Entwicklung nicht stehen geblieben. Ein moderner Fahrtenkatamaran beginnt heute ab 11 bis 12 Meter Länge und ist dann auch optisch erträglich, selbst wenn Stehhöhe im Salon angeboten wird.
Trimarane über 10 m haben es schon schwerer mit einem Mono mitzuhalten. Sind die Schwimmer anklappbar, um in die Marinabox zu passen, wird der Lebensraum auf den Hauptrumpf beschränkt. Durch den geringeren Fussraum ist weniger Platz als im vergleichbaren Mono vorhanden. Anders sieht es aus, wenn die Fläche zwischen Mittelrumpf und den Auslegern überbaut ist. Dort werden dann z.B. die großen Doppelkojen untergebracht. Aber das geht sinnvollerweise erst ab 12 bis 13 m Länge wie z.B. bei den Neel-Trimaranen.
Der typische Fahrtenkatmaran mit Deckshaus bietet in der Charterversion bei 11-12 m Rumpflänge fast immer 4 Doppelkojen, mit min. zwei Nasszellen, einem großen Deckssalon und jede Menge Stauraum. Sieht man dann noch die riesige Decksfläche, kann kein Einrumpfboot dieser Länge mithalten. Allerdings wird dieser Komfort (siehe oben) immer damit erkauft, daß der Geschwindigkeitsvorteil schrumpft, ganz im Gegensatz zum Pflegeaufwand, der sich verdoppelt. Ebenso werden die Anschaffungskosten überproportional ansteigen.
Legt man das Verhältnis Kosten - Innenraum zu Grunde, könnte man sich für einen 12 m Luxus-Katamaran genausogut einen 16 m langen Luxus-Einrümpfer zulegen. Somit wird der Kubikmeter-Vorteil des Mehrrumpfbootes wieder relativiert. Der Innenraum ist also nicht das Argument für das Mehrrumpfboot schlechthin - man muss schon die Decksfläche dazunehmen.
Interessanterweise ist die Kostenseite bei Trimaranen ebenso exorbitant, obwohl diese sogar gegenüber dem Katamaran einen kleineren Innenraum haben (speziell Klapptris). Hier muss der "eingebaute" Geschwindigkeitsvorteil den Hochpreis erklären. Also wenn Platzbedarf erforderlich ist, den Katamaran wählen, für rauschende Fahrt den Trimaran.
Zur weiteren Information bietet multihull.de eine Übersicht von 275 Innenräumen von Katamaranen und Trimaranen.
Stimmt so natürlich nicht. Jedes Boot krängt, auch ein Mehrrumpfboot. Fahrtenkatamarane legen sich so max. 8 - 15 Grad auf die Seite (je nach Rumpfform und Kurs). Dabei tauchen rundspantige Rümpfe weniger tief ein als V-spantige, die dafür mehr Reserveauftrieb haben (das V wird ja oben breiter).
Ein Fahrten-Trimaran kann es schon mal auf 20 - 25 Grad bringen, ohne den Mittelrumpf fliegen zu lassen. Das bringt dem Trimaran den Vorteil, daß er durch zu tiefes Eintauchen des Leeschwimmers dem Skipper rechtzeitig signalisiert, wenn es kritsch wird.
Einen Vorteil des Krängens kann das Mehrrumpfboot gegenüber dem Mono nicht so gut nutzen - dem Wind durch eine elegante Verbeugung die Kraft zu nehmen. Es hat nur eine Chance, den Druck im Segel so schnell wie möglich in Geschwindigkeit umzusetzen oder einfach wegzustecken. Hier tritt wieder das Dogma des "leichten" Mehrrumpfbootes auf den Plan. Ein überladenes oder zu schweres Mehrrumpfboot, das tief im Wasser liegt kann in einer Böe nicht schnell genug Fahrt aufnehmen, muss also den ganzen Druck im Rigg abfangen. Dieses muss daher besonders stark und daher schwer ausgebildet werden, was zu mehr Gewicht führt. Und so weiter. Wie man sieht ist das Krängen grundsätzlich nicht so schlecht. Gedanken, wie man es auf einem Mehrrumpfboot nachbilden kann, ohne dessen Vorteile aufzugeben gab es viele. So wurde schon in den 70er Jahren mit kippbaren Riggs experimentiert, was sich aber nie durchsetzen konnte. Eine andere Lösung habe ich in multihull.de vorgestellt, die flexible Großschot mit Gummizug im Mast. Alternativ kann man sich natürlich den exotischen Proas zuwenden, die im Krängungsverhalten einem Mono nahekommen.
Was aber jeden Multi gegenüber dem Mono glänzen läßt: Er geigt nicht. Das bedeutet, beim Segeln vor dem Wind liegt jeder Multi (fast) wie ein Brett im Wasser, währenddessen der Mono von Seite zu Seite schwankt.
Über das Kentern von Multis habe ich schon zuviel geschrieben, um es nochmal zu wiederholen. Daher hier lesen.
Was nur für wenige spezielle Einrumpfyachten zutrifft, ist ein wesentliches Merkmal aller guten Mehrrumpfboote. Durch den Verzicht auf schweren Kielballast gehen sie auch vollgelaufen nicht unter. Man kann also getrost auf die Rettungsinsel verzichten, wenn man auch im gekenterten Zustand an die Nahrungs- und Wasservorräte gelangen kann. Wichtig ist dazu ein Notausstieg im Brückendeck, um an frische Luft zu kommen, wenn man auf dem Rücken liegt. Auch Vorkehrungen sich in den Rümpfen nach einer Kenterung ein trockenes Plätzchen zu bauen (in Art einer Hängematte), sind ein sinnvoller Ansatz. In jedem Fall ist eine Mehrrumpfyacht auch havariert eine bessere Überlebensplattform als eine kleine Gummiinsel.
Dieses Argument ist gar nicht so unwichtig. Natürlich gibt es auch Monos mit Ballastschwertern, aber die fallen nicht so schön stabil trocken. Und mit einem doppelten Kiel (Kimmkieler) steigt wieder der Fahrtwiderstand. Mit einem Schwert-Mehrrumpfboot mit ca. 40 - 50 cm Tiefgang lassen sich z.B. Boddengewässer oder Lagunen befahren und Ankerplätze nutzen, die dem Mono versperrt bleiben. Selbst große Kiel-Katamarane haben selten mehr als 150 cm Tiefgang.
In Tiedengewässern, die das Boot ganz trocken fallen lassen, kann viel Geld fürs Rumpfreinigen und -malen oder Reparaturen gespart werden. Weiterhin hat der geringe Tiefgang den Sicherheitsaspekt beim "Stranden". Wird in Legerwall ein Multi mit Volldampf auf den (hoffentlich vorhandenen) Strand gefahren, ist zumindest die Crew nicht in Gefahr. Einen Nachteil darf man aber auch nicht verschweigen (selbst erlebt): Wenn man mal aufläuft, hilft nur noch Ziehen mit roher Gewalt. Denn das übliche Krängen wie beim Einrümpfer geht nun mal nicht.
Aber welchen Typ soll ich jetzt wählen? Soll es ein Katamaran oder ein Trimaran sein? Die Proa lassen wir mal außen vor. Und wenn der Typ feststeht, welches Boot von welchem Konstrukteur ist das richtige für mich?
Bevor man sich nun im Detail den Kopf zerbricht, sollte man sich zuerst das Wort des bekannten Konstrukteurs Dick Newick auf der Zunge zergehen lassen:
Von den drei möglichen Faktoren eines Boot "viel Komfort, hohe Geschwindigkeit, geringe Kosten" sind immer nur zwei zu haben..