Wenn ich ein Land verlasse, stellt sich mir manchmal die Frage, ob denn dort überhaupt Menschen leben. Bei einige Ländern kann man die Bevölkerung gar nicht wahrnehmen und die zwischenmenschlichen Kontakte bleiben aus. Die Türkei gehört nicht dazu. Die Landsleute sind präsent und der Reisende bekommt das Gefühl in dieser Gemeinschaft zu sein. Das Zahlenverhältnis der Touris inklusive dem Personal das sie versorgt zur Normalbevölkerung geht eindeutig auf die Bürger des Landes. Das Kopftuchproblem an dem ganz Europa herum laboriert, stellt sich hier nicht. Ich konnte bestenfalls 5 religiöse Kopftücher zählen. Stattdessen gab es eine grenzenlose Anzahl von europäisch gekleideten, modern auftretenden Türkinnen und Türken.
Gleichwohl ist die orientalische Art ausgeprägt. Es zeigt sich in der Architektur, den vielen Retroschiffen, den Basaren und im besonderen in der Art Handel zu treiben. Wer sich in die Lage bringt, außerhalb von Städten mit ihren Supermärkten, Nahrungsmittel zu bunkern, kann das in jeder Bucht und an jedem Strand tun. Oder er läßt sich von den Barkassen an den Ankerplätzen versorgen. Jedoch sollte man dem orientalischen Wesen zu folge ein guter Preisverhandler sein, sonst zahlt man locker den zehnfachen deutschen Aldipreis. Auf den Basaren werden Gewürze in Säcken, exotisches Naschwerk, Schmuck, Teppiche, Meerschaumpfeifen und und angeboten. Die Kaufanmache der Basarhändler erstreckt sich von aufdringlich bis schlitzohrig genial. Einer sprach uns in einer Aachen/Rheinischen Mundart an. Der könnte als Verkaufstrainer mehr verdienen als mit Teppichen. Jeder Reisende tut gut daran in diesen Dingen trainiert zu sein, sonst muß er sich für die Heimreise einen Frachter chartern. Neben dem Tanz um uns Touris entsteht aber der Eindruck, daß das alles auch ohne uns funktioniert.
Wer in deutschen Restaurants eine Speise individuell zusammenstellt, zahlt meist mehr als bei Speisen von der Karte. Hier haben wir das anders erlebt. Es werden dem Gast am Tisch die Rohprodukte der Speisen zur Auswahl präsentiert. Nicht selten gibt es eine Einladung in die Küche und Speisekammer um sich vor Ort über Qualität und Angebot zu informieren. Drinnen steht dann die wohlbeleibte Köchin, die uns aus einem runden Gesicht fröhlich anstrahlt und das Vertrauen in die Kochkunst des Hauses untermauert. Diese individuell erstellten Speisen werden natürlich prachtvoll an den Teller gebracht und kosten nach unserer Statistik 20% weniger als von der Karte. Erklärbar ist das vielleicht wenn durch diesen Vorgang, mit gegenseitiger Akzeptanz, ein Vertrauensraum und Zwischenmenschlichkeit geschaffen wird. Das allgemeine Preisniveau ist wie in Deutschland, wobei das Verhältnis Restaurant/Speisenqualität zum Preis, in der Türkei etwas günstiger liegt. Die Variationsbreite der Speisen ist orientalisch groß und eröffnet dem Mutigen viel schmackhaftes Neues zu entdecken.
Gesegelt haben wir auch. Es standen am Ende 189 nm auf der Logge. Die Vercharterer, die Sponsoren der Fethiye Week waren, haben sich recht großzügig gezeigt. Wir, zum Beispiel, hatten unser Schiff anstatt der typischen sechs Tage, zehn Tage zu einem günstigen Preis. So haben sich zum Event gemütliche An- und Abreisen in mehreren Etappen ergeben. Unser Vercharterer der Internationale Yacht Club ( IYC ) aus Wien, hat auch nicht gezuckt, uns zu einem fairen Preis, die 250 km vom Flugplatz in Izmir abzuholen. Wir hatten es wegen der Schulferien nicht geschafft, Flüge zum nahe gelegenen Flugplatz Dalaman zu bekommen. Es war uns auch ganz recht, denn etwas vom Land zu sehen und mit dem einheimischen Fahrer zu reden, kommt immer gut an. Genau so komfortabel und preisgünstig haben es die Besatzungen von She San und Aquila angetroffen, sie hatten bei Off Shore Sailing geschartert.
Diese Fethiye Week ist die erste Veranstaltung, die, die Organisatoren Othmar Karschulin von „multihull.de“ und Christian Grünert von SunnyIsland Charter zu einem jährlichen Event bringen wollen. Es hatte zunächst ein Dutzend Schiffe gemeldet und am Ende waren es fünf. Ich kann sagen, die Mannschaften, die zurücktraten, haben einen Fehler gemacht. Ihnen ist etwas Gutes entgangen. Mir kommt ein „kleiner Kreis“ von ca. 40 Personen inklusive Veranstalterteam lieber an. Die Kontakte sind intensiver und die gemeinsamen Auftritte wie Abendessen usw. sind überschaubarer.
Das Veranstalterteam, eine Deutsch-Österreichisch-Türkisch-Britische Mischung hat alles gelassen und mit Charme durchgeführt. Die Teilnehmer waren,
Alle anwesenden Segler haben sich neben Charter auch auf Eignerschiffen, Regatten usw. aufgebaut. Und so ging es dann in den Regatten auch zur Sache, wenn der Startschuß auf Hansi's 300 Tonnen Brigantine ertönte. Das Regattaspielfeld war die Bucht von Fethiye mit ca. 8 x 16 nm. Der Wind blies während den Regatten mit mindestens 2 meist mit 3 Bft. Die, die Bucht eingrenzenden Berge mit max. 2000 Metern und die vielen Felseninseln, stellten einige Anforderungen an das taktische Vermögen der Segler. Die Kurzfassung des Ergebnisses heißt, Steamy Windows war mit Abstand die Schnellste. Die anderen Schiffe waren ausgeglichen und ersegelten wechselnde Plazierungen. Es wurde engagiert und hart gekämpft, aber ohne Ausnahme fair in den Aktionen.
Die erste Wettfahrt war ein Langschlag zu einer entlegenen Bucht. Die unterschiedlichen Auffassungen von Windstrategie brachte das Feld weit auseinander, fast außer Sichtweite. Zu guter letzt waren die Abstände beim Zieleinlauf doch ziemlich gering. Die Bucht der Insel, in der wir für die Nacht ankerten, war ein romantisches Fleckchen Wasser. Es hatten sich neben uns mit Startschiff, noch ein paar Monos hinein gequetscht. Das köstliche Abendessen, der Veranstalter lud uns ein, wurde auf dem offenen Holzfeuer gekocht und gegrillt. Das Brot kam aus einem rustikalen Steinofen. Auf der Insel leben einige wenige Fischer, die noch Kapern und Oliven anbauen. Alles machte einen einfachen Eindruck. Für die Vermahlung, von Oliven, die am Anfang des Ölgewinnungverfahrens steht, benutzt man einen mit Menschenkraft betriebenen Kollergang ( Walzenschüsselmühle ).
Der nächste Tag brachte zwei Dreiecksregatten, die geschickt im windstärksten Bereich abliefen und zur Würze ein paar Inseln drin hatte. Die Zeiten vor den Läufen konnte wir in einer malerischen Badebucht verbringen. Das Abendessen, ( die Veranstalter haben uns an vier Abenden und drei mal zum Frühstück, kostenlos bewirtet) hatte eine gigantische Vielzahl von Speisen als Vorspeisenbüfett. Ich sollte hier andere Worte benutzen, doch es war eine Odyssee des Gaumengenusses. Nichts war dabei, was wir von zu Hause kennen könnten. Nach dem reichhaltigen Mahl wurden unsere Sinne, durch den Auftritt einer Bauchtänzerin, noch weiter in Aufruhr versetzt.
Dazu sei mir eine kleine Schleife in die Geschichte gestattet.
Der Bauchtanz ist, wie aus Höhlenzeichnungen herzuleiten ist, der älteste Tanz der Welt. Er wurde zu Ehren der Fruchtbarkeits- und Arterhaltungsgöttin „Ma“, von der das Wort Mama entstand, getanzt. Von Schwarzafrika in Ägypten eingeführt, gelangte er 2500 v.Chr. zur Kunstform. Der Begriff Bauchtanz ist inhaltlich und begrifflich falsch. Denn man tanzt ihn nicht nur mit dem Bauch sondern mit allen Körperteilen. Ursprünglich hieß er „Raps Sharqi“ (Tanz des Osten), daraus wurde „Orientalischer Tanz“, „Danse du ventre“, „Belly dance“ und „Bauchtanz“. Der religiöse Charakter ging zurück und er wurde von Frauen, aus Freude am eigenen Körper und Tanz, getanzt. Christentum und Islam haben den Bauchtanz außerhalb der Ehe, geächtet und unterdrückt. Die moderne selbstbewußte Frau hat dahin zurück gefunden. Es gibt heute auch den therapeutische Aspekte, der Schwangerschaftsbegleitung und das Lebensgefühl vom Kopf in Richtung Bauch zu bewegen.
Nun zurück zu unserem fröhlichen Abend. Unsere Bauchtänzerin hatte eine freundliche Präsenz, Temperament, ausgestattet mit Proportionen der Spitzenklasse und eine Haut wie Milch und Seide. Es war schön. Zu guter letzt gab es noch eine Schleife in das Spaßszenario. Sie gab einigen Damen und Herren eine Schnellbesohlung in Sachen Bauch bewegen und jeder konnte eine eigene Show darbieten.
Tags drauf gab es wieder zwei Dreieckskurse mit heißen Startphasen. Carlo ging in die Geschichte als fliegender Nullstarter ein ( beim Startschuß mit Speed über die Linie gehen ). Mupfel hatte zuvor Pech mit einem Riß im Vorsegel. Als alles repariert war, hat sie dann prompt in den letzten Läufen zwei dritte Plätze gemacht. Das rüttelt mal wieder an der These „stark beladene Katamarane segeln langsam“.
Der Abend mit Siegerehrung erfolgte in der eleganten Anlage des Ece Saray Hotels. Das Ece Saray ist, nach meinem kleinen Überblick in dieser Zeit, das erste Hotel am Ort. Es verfügt über eine unmittelbar davor liegende Marina, in der wir natürlich mit den Schiffen lagen. Der Service in der Marina besteht nicht nur aus einer guten Einweisung mit Anreichen von Mooringleinen und dem Bugsieren von Schiffen mittels starkem Schlauchboot, sonder auch kostenloser Tauchgänge zur Befreiung von Tauwerk aus Propellern. Das Ganze in einer spannungsfreien Atmosphäre, die nicht zu einer Zwangsübergabe von Trinkgeld führt. Bei der Siegerehrung wie bei der Regatta waren Fotografen, Journalisten und Filmteams von türkischen Sportmedien anwesend.
Eine Spaßregatta und das sollte es sein, ist eine Quadratur des Kreises. Es soll mit Dampf gesegelt werden und am Abend, bei der Bekanntgabe von Plazierungen muß sich jeder so weit zurück genommen haben, um eine Wertung die auf Schönheit, Freundschaft und Harmonie basiert, gut zu heißen. Das ist gelungen. Es wurden, nur die ersten drei Plätze mit Urkunden geehrt, Pokale erhielten alle Teilnehmer. Die Kriterien zur Reihenfolge 1. Aquila, 2. She San, 3. Calypso, sind sicherlich erfüllt. Der Regattaeifer hat dem freundlichen Umgang aller Teilnehmer nichts abbiegen können. Anmerken möchte ich das komfortable Zeitmanagement. Alles wurde ohne Stress mit genügend Spielraum für alle Verrichtungen abgewickelt. Auf die Frage von Nachbarn, „wie war's denn in der Türkei?“ Kann ich mit ruhigem Gewissen antworten, „Wetter und Duschen waren gut und es war schön“.
Karl-Heinz Kuckuck